Das neue Jahr 2025 beginnen die Münchner Philharmoniker direkt mit einem musikalischen Highlight: Für den Themenschwerpunkt »America« stehen die kulturellen und musikalischen Dimensionen der USA in gleich mehreren Konzertprogrammen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei beleuchtet das Orchester Komponist*innen und Dirigent*innen und deren musikalische Auseinandersetzung mit dem »American Dream«. Gerade im Hinblick auf die aktuellen Spannungen, die diesen Traum herauszufordern scheinen, schaffen die Münchner Philharmoniker so ganz bewusst musikalische Anknüpfungspunkte zu gesellschaftlich relevanten Themen. Denn die Vielfalt und Widersprüchlichkeit des Landes spiegelt sich auch in der Musik wider: Vom mitreißenden Jazz eines Duke Ellington über die rebellischen Klänge der Minimal Music von Philip Glass bis zu den zeitgenössischen Stimmen von Komponisten wie Bryce Dessner bieten die Programme eine facettenreiche Hommage an die amerikanische Musikszene.
Die einzelnen Konzertprogramme selbst könnten dabei nicht unterschiedlicher sein und greifen den musikalischen Reichtum ebenso wie die vielschichtigen Realitäten in der Geschichte der USA auf. John Adams, einer der bedeutendsten zeitgenössischen amerikanischen Musiker, wird in der Doppelfunktion als Dirigent und Komponist zum ersten Mal in München zu erleben sein. Er gibt unter anderem mit der »Harmonielehre« sowie der Fanfare »Short Ride in a Fast Machine« einen Einblick in sein musikalisches Schaffen. Mit Komponist*innen wie Charles Ives, Ruth Crewford Seeger und Carl Ruggles stellt Dirigentin Barbara Hannigan in ihrem Programm selten gehörte Stimmen der amerikanischen Moderne dem Broadway-Sound von George Gershwin’s »Porgy and Bess« gegenüber. Und beim Debüt von Dirigent Brad Lubman spielen vor allem Spiritualität und das Verhältnis von Mensch und Natur eine wichtige Rolle. Das symphonische Portrait »Itaipú« für Chor und Orchester komponierte Philipp Glass auf Grundlage des von einer Sintflut handelnden Schöpfungsmythos der Guaraní. Ca. 40.000 Indigene verloren 1984 ihre Heimat durch den Bau des »Itaipú«-Staudamms an der Grenze von Brasilien und Paraquay. Zudem erklingt an diesem Abend das neue Klavierkonzert von Bryce Dessner, einem Grenzgänger zwischen verschiedenen Musikgenres, mit der Münchner Pianistin Alice Sara Ott am Klavier.
I HAVE A DREAM
Amerika — das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und Träume. Obwohl der Historiker James Truslow Adams schon ab 1931 den Begriff des »American Dream« prägte und damit das in der Verfassung garantiere Versprechen auf Chancengleichheit, Freiheit aller Bürger und das Streben nach persönlichem Glück beschrieb, musste Martin Luther King auch bis zu seinem gewaltsamen Tod 1968 noch die Nichterfüllung dieses Versprechens für viele Amerikanerinnen und Amerikaner anprangern. Kings berühmte »I have a dream«-Rede am 28. August 1963 beim »Marsch auf Washington« ist für viele nicht-weiße Amerikanerinnen und Amerikaner zu einem identitätsstiftenden Ereignis geworden. Auch heute erleben die Vereinigten Staaten von Amerika bewegte Zeiten, der tobende Wahlkampf belegt dies nahezu täglich. Mit dem Amerika-Programmschwerpunkt wollen die Philharmoniker einen Kontrapunkt zum tagespolitischen Treiben setzen und den Blick für die Kultur und musikgeschichtliche Dimension dieses faszinierenden Landes weiten. Im Fokus stehen Komponist*innen von den Anfängen der amerikanischen Musikszene bis in die Moderne. Mit drei Erstaufführungen verschafft sich auch die amerikanische Musik von heute Gehör. Es wird sich zeigen, der Soundtrack zum »American Dream« war und ist vor allem eines: Uneinheitlich.
MUSIKALISCHER »MELTING POT«
Während sich zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem etablierte Komponisten aus Europa für lukrative Engagements in die neue Welt aufmachten, entwickelte sich unter den amerikanischen Komponistinnen und Komponisten im 20. Jahrhundert eine Vielstimmigkeit, die gerade deshalb so unterschiedlich und originell wurde, weil es noch keine amerikanischen Vorbilder gab, die stilprägend auf spätere Generationen wirkten. Eine weitere Welle europäischer Einflüsse folgte durch die vielfache Emigration vor allem jüdischer Künstler*innen und Komponist*innen ab den 1930er Jahren, die nicht nur in Hollywood und am Broadway Spuren hinterließ. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich mit der Minimal Music wiederum ein Stil der radikalen Vereinfachung und rhythmischen Variation, dessen Einflüsse auf die Musik der Gegenwart — gerade auch außerhalb der klassischen Musik — maßgebend sind.