"Das Lied von der Erde"

Ludwig von Beethoven schrieb neun Symphonien, Anton Bruckner starb während der Arbeit an seiner neunten. Kein Wunder, dass der abergläubische Mahler zögerte, seinen acht vollendeten Symphonien, eine Neunte folgen zu lassen. Bis heute fällt die Einordnung von Mahlers "Lied von der Erde" in die Kategorien Symphonie oder Liederzyklus nicht eindeutig aus - und so hoffte auch der Komponist, dem Schicksal mit einem gattungsübergreifenden Werk ein Schnippchen zu schlagen. Erste Arbeiten am "Lied von der Erde" gehen auf das Jahr 1907, dem Schicksalsjahr Mahlers zurück. Auf Nachdichtungen altchinesischer Lyrik von Hans Bethge komponierte Mahler in den Folgejahren sechs Orchesterlieder, die er zu einem symphonischen Liederzyklus zusammenfasste. Mit dem "Lied von der Erde" setzt Mahlers Spätwerk ein, das sich vor allem durch die lineare, kammermusikalische Strukturierung des Orchestersatzes von den früheren Klangballungen unterscheidet und klangliche Härten bis an den Rand der Atonalität zulässt. Der 6. Teil, "Abschied", ist auch ein Abschied von der Spätromantik mit Mitteln einer neuen Stilepoche, die man schon wenig später Expressionismus nannte.