[Deutsche Übersetzung siehe unten]
»Over the last days, I found myself along with two of the orchestras dearest to my heart, the Munich Philharmonic and the Israel Philharmonic, unwillingly swept into an unexpected public storm that quickly escalated into a diplomatic incident. The outcry followed a regrettable decision by Ghent Festival's organizers to cancel this week’s opening concert, to be performed by the Munich Philharmonic under my baton.
The festival’s management acted under the pretense that 'music should be a source of connection and reconciliation', as quoted in the media, but in doing so, they emptied this statement of all meaning, yielding to political pressures, demanding that I make a political declaration despite my long standing and publicly expressed commitment to peace and reconciliation.
From the moment the concert’s cancellation was announced, I received messages of support and encouragement, both privately and publicly, that moved me deeply. First and foremost, I am grateful to the musicians of the Munich Philharmonic and its leadership for their unwavering support, which filled me with even greater pride to be part of this orchestra. Standing alongside were the Mayor and the Cultural Deputy of the City of Munich, officials from the German and Bavarian government, as well as colleagues from Germany, Europe, Israel, and around the world. It was also profoundly meaningful that the Prime Minister of Belgium expressed his solidarity by attending our concert last Saturday in Essen. Finally, I feel very honored that the German Federal President invited me yesterday to Schloss Bellevue.
On October 7, 2023, Israel experienced a horrific and unprecedented event. Like many others, I feared immediately for my life and for the lives of those close to me. No Israeli was untouched by these events. Israeli society continues to mourn the consequences of Hamas’s inhumane attack and longing for the return of 48 civilians who are still held hostage in unbearable conditions. Yet, I, like many Israelis, have not abandoned my human values. The images and testimonies coming out of Gaza are deeply distressing, and it is impossible to remain indifferent to the suffering of civilians in Gaza amidst the catastrophe this war has brought upon them. Everything must be done to end the war as soon as possible and begin the long process of healing and rebuilding for both societies.
I was entrusted with the musical leadership of the Israel Philharmonic after a long line of some of the greatest and most humanitarian musicians, like Arturo Toscanini, who conducted the orchestra’s very first musicians – Jewish refugees who had managed to flee Europe – Leonard Bernstein, and Zubin Mehta. The Israel Philharmonic is a unique example of the freedom artists should have to perform, as from its founding it has been governed by its musicians. Under their guidance, the advancement of classical music has always gone hand in hand with efforts to connect people within Israel and between Israel and the world.
Last night, on Monday, September 15th, the Munich Philharmonic and myself performed at the Musikfest Berlin, an invitation we received in response to the cancellation in Ghent. I wish to thank the Berliner Festspiele and the Berliner Philharmoniker Foundation for their initiative and effort - their gesture is incredibly moving to all of us at the Munich Philharmonic. It is the perfect example of the power of music – to connect people, not divide them.«
Lahav Shani, September 16th
Deutsche Übersetzung:
»In den vergangenen Tagen fand ich mich, zusammen mit zwei Orchestern, die mir besonders am Herzen liegen – den Münchner Philharmonikern und dem Israel Philharmonic Orchestra – ungewollt im Mittelpunkt einer öffentlichen Empörungswelle, die schnell zu einem diplomatischen Zwischenfall eskalierte. Der Aufschrei folgte auf die bedauerliche Entscheidung der Organisatoren des Gent Festivals, das für diese Woche geplante Eröffnungskonzert der Münchner Philharmoniker unter meiner Leitung abzusagen.
Die Festivalleitung handelte unter dem Vorwand, dass „Musik eine Quelle der Verbindung und Versöhnung sein sollte,“ wie in den Medien zitiert wurde. Doch damit entleerte sie die Aussage jeglicher Bedeutung, indem sie politischem Druck nachgab und von mir eine politische Stellungnahme verlangte, obwohl ich mich seit langem öffentlich für Frieden und Versöhnung einsetze.
Ab dem Moment der Absage des Konzerts erhielt ich sowohl privat als auch öffentlich Nachrichten des Beistands und der Ermutigung, die mich zutiefst berührten. In erster Linie bin ich den Musiker*innen der Münchner Philharmoniker und deren Leitung für ihre unermüdliche Unterstützung dankbar, die mich mit noch größerem Stolz erfüllt, Teil dieses Orchesters zu sein. An ihrer Seite standen der Bürgermeister und der Kulturreferent der Stadt München, Vertreter der deutschen und bayerischen Regierung sowie Kollegen aus Deutschland, Europa, Israel und der ganzen Welt. Ebenfalls von großer Bedeutung war die Solidaritätserklärung des belgischen Premierministers durch seinen Besuch unseres Konzerts in Essen am vergangenen Samstag. Schließlich fühle ich mich sehr geehrt, dass der deutsche Bundespräsident mich gestern ins Schloss Bellevue eingeladen hat.
Am 7. Oktober 2023 erlebte Israel ein schreckliches, noch nie dagewesenes Ereignis. Wie viele andere fürchtete ich sofort um mein Leben und um das Leben derer, die mir nahestanden. Kein Israeli war von diesen Ereignissen unberührt. Die israelische Gesellschaft trauert weiterhin um die Folgen des unmenschlichen Angriffs der Hamas und sehnt sich nach der Rückkehr von 48 Zivilisten, die nach wie vor unter unerträglichen Bedingungen als Geiseln gehalten werden. Dennoch habe ich, wie viele Israelis, meine menschlichen Werte nicht aufgegeben. Die Bilder und Zeugnisse aus dem Gazastreifen sind zutiefst erschütternd, und es ist unmöglich, dem Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen inmitten der Katastrophe, die dieser Krieg über sie gebracht hat, gleichgültig gegenüberzustehen. Es muss alles getan werden, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und den langen Prozess der Heilung und des Wiederaufbaus beider Gesellschaften zu beginnen.
Das Israel Philharmonic Orchestra, mit dessen musikalischer Leitung ich betraut bin, blickt auf eine lange Reihe der größten und humanitärsten Musiker*innen zurück, wie etwa Leonard Bernstein und Zubin Mehta, sowie Arturo Toscanini, der die allerersten Musiker*innen des Orchesters dirigierte: jüdische, aus Europa geflüchtete Menschen. Das seit seiner Gründung von Musiker*innen geführte Israel Philharmonic Orchestra ist ein einzigartiges Beispiel für die Freiheit, die Künstler*innen haben sollten, um aufzutreten. Unter ihrer Leitung ging die Förderung der klassischen Musik stets Hand in Hand mit den Bemühungen, Menschen innerhalb Israels und zwischen Israel und der Welt zu verbinden.
Am gestrigen Abend traten die Münchner Philharmoniker und ich beim Musikfest Berlin auf – ein Konzert, zu dem wir infolge der Absage in Gent eingeladen wurden. Ich möchte mich bei den Berliner Festspielen und der Stiftung Berliner Philharmoniker für ihre Initiative und ihren Einsatz herzlich bedanken. Wir bei den Münchner Philharmonikern sind alle sehr gerührt von dieser Geste, die ein perfektes Beispiel für die Macht der Musik darstellt – die Macht, Menschen zu verbinden, anstatt sie zu trennen.«
Lahav Shani, 16. September