Der Solopart von Chopins »Krakowiak« gleicht über weite Strecken einer Tour de force, einer hyperaktiven und äußerst sportiven Ausgabe des »stile brillante«, wie ihn seinerzeit die komponierenden Virtuosen vom Schlag eines Johann Nepomuk Hummel, Ferdinand Ries oder Ignaz Moscheles auf die Spitze trieben, Pianisten, deren Konzerte Chopin spielte und deren Spiel er bewunderte (und nachahmte und sich aneignete). Chopin eröffnet seinen »Krakowiak«, dem Titel zum Trotz, mit einer Mazurka, die aber aus der Stille herabzuschweben scheint wie eine überirdische Erscheinung. Doch sobald im »Krakowiak« der Krakowiak loslegt, zeigen sich Chopin, sein Land, seine Landsleute von der freundlichsten Seite mit einer Einladung zum Tanz: zum »Krakauer Tanz«, der in seiner Beweglichkeit (und Geschmeidigkeit), seinen flinken Drehungen und Wendungen. Chopin fängt die Essenz, das Unverwechselbare und Unberechenbare des Krakowiaks ein, aber auch die festliche und freisinnige Atmosphäre, in der die »Cracovienne« getanzt wurde. Das fragile Lebensglück in einem besetzten und gedemütigten Land, das im Tanz und in der Musik eine Unabhängigkeit feierte, auf die es in der harten politischen Realität noch hundert Jahre und mehr warten musste.
Autor: Wolfgang Stähr
Chopin fantasierte nicht nur am Klavier über polnische Themen: Polen selbst blieb sein Lebensthema, das er sich nicht ausgesucht hatte und dem er doch niemals entrinnen konnte. Dabei war Chopin nur ein halber Pole, aber ein doppelter Staatsbürger.…
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