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»Hic sunt leones — Hier sind Löwen«

So und so ähnlich lautete die klassische Warnung auf unzähligen antiken römischen und später auch mittelalterlichen Landkarten. Dort, wo das Ende des bekannten Territoriums erreicht war und die berühmten weißen Flecken auftauchten, sollte man sich also ganz besonders vorsehen: Ungeahnte Gefahren lauerten — von Löwen, Drachen oder sonstigem Getier, von fremden Völkern, lebenswidriger Natur oder jedenfalls unwegsamem Gelände. Erst jene Neugierigen, Unerschrockenen, die sich von all diesen Warnungen nicht einschüchtern ließen, sollten dann Licht ins Dunkel bringen und mit sagenhaften Schätzen nach Hause zurückkehren — oder zumindest mit fantastischen Geschichten. Manchmal hat es den Anschein, als wäre der viel zitierte Kanon des klassischen Repertoires von ähnlich bedrohlichen, ja sogar langsam näher rückenden Löwenrudeln umringt: Orchester und Veranstalter, Musikerinnen und Musiker schrecken zuweilen davor zurück, die Zone des Bekannten, Althergebrachten zu verlassen. Dabei sind dessen Grenzen keineswegs unüberwindlich. Und nicht etwa Ungeheuer, sondern wundersame Entdeckungen warten da draußen auf all jene, die sich ihre offenen Ohren bewahrt haben.

Die MÜNCHNER PHILHARMONIKER, ihr designierter Chefdirigent LAHAV SHANI und ihre zahlreichen Gäste auf dem Konzertpodium sind in ihrer Musizierfreude von Aufbruchstimmung und Entdeckungsgeist geprägt. Mit dem Umzug in die Isarphilharmonie entstanden neue Formate wie die »MPhil Late«, bei der Mitglieder der Münchner Philharmoniker in entspannter Atmosphäre in der Halle E — dem Foyer der Isarphilharmonie — Kammermusik spielen. Von Volksmusik über Jazz bis Tango und Swing können die Gäste bei freiem Eintritt den Abend ausklingen lassen und Musiker*innen aus dem vorangegangenen Konzert in ungezwungener Runde erleben. Ebenfalls in der Halle E findet einmal im Jahr ein riesiges interaktives Mitmachkonzert, der »Symphonic Mob«, statt. Zudem gibt es technologieinspirierte Konzerte bei der Brainlab AG in Riem — Formate, die Musiker* innen und Zuhörer*innen gleichermaßen begeistern!

Deshalb ist auch keineswegs ausdrücklicher Löwenmut nötig, um das Publikum in der Saison 2025/26 einzuladen, gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern weitere »Entdeckungen« zu wagen, Kurztrips oder längere Ausfahrten zu machen, Expeditionen in wenig erschlossene oder gar unbekannte Gefilde des Repertoires zu unternehmen. Dass man dabei, wie immer bei spannenden Reisen, bereichert zurückkehren wird, davon ist das Orchester überzeugt. Der Kanon der klassischen Musik, er ist eben nicht ein für alle Mal festgelegt, eingezäunt oder gar ummauert: Was darin liegt und was außerhalb, muss immer wieder neu verhandelt werden, jede Generation muss aufs Neue entdecken, welche Werke zu ihr sprechen und was sie ihr sagen.

Musikalische Neu- und Wiederentdeckungen versprechen die Musik von LUCIANO BERIO und HANS WERNER HENZE, die 2025 bzw. 2026 hundert Jahre alt geworden wären; mit EDWARD ELGAR und RALPH VAUGHAN WILLIAMS erkunden die Philharmoniker ein noch kaum präsentes England; das verblüffend Neue aus älterer Zeit wird in Werken von JEAN-PHILIPPE RAMEAU und MICHAEL HAYDN spürbar. Zeitgenössische Stimmen gilt es zum Beispiel bei vier Komponistinnen der Gegenwart zu ent- decken sowie eine ganze Reihe von Solist*innen und Dirigent*innen, die ihre Debüts bei den Münchner Philharmonikern feiern: unter anderem DALIA STASEVSKA, TARMO PELTOKOWSKI, CRISTIAN MĂCELARU, RICCARDO MINASI und ELIM CHAN geben ihren Einstand am Pult und auch GABRIELA MONTERO, ANASTASIA KOBEKINA und GIORGI GIGASHVILI sind zum ersten Mal bei den Münchner Philharmonikern zu Gast. Langjährige Weggefährten, allen voran Ehrendirigent ZUBIN MEHTA, KENT NAGANO, RUDOLF BUCHBINDER und TUGAN SOKHIEV beehren das Orchester ebenso wieder wie SANTTU-MATIAS ROUVALI, SOL GABETTA, YUJA WANG und WAYNE MARSHALL.

»Let me play the lion too — Lasst mich den Löwen auch spielen«: In Shakespeares »Sommernachtstraum« können dem Weber Zettel die Rollen gar nicht genug sein, so begeistert ist er von der Kunst. Ja, die Münchner Philharmoniker spielen auch die Löwen: Entdecken Sie, wie gut dieses Brüllen klingt!

Walter Weidringer