Für Sibelius’ Schaffensweise ist es charakteristisch, dass er an verschiedenen Projekten parallel arbeitete. Dies gilt auch für seine letzten symphonischen Werke. Erste Skizzen zur 7. Symphonie – wie auch zur später vom Komponisten selbst vernichteten 8. Symphonie – stammen bereits aus dem Jahr 1918, in dem er vorwiegend noch an seiner 6. Symphonie arbeitete. Aber nicht nur aufgrund der zeitlichen Überschneidung, sondern auch wegen unüberhörbarer Materialverwandtschaften bilden die 6. und die 7. Symphonie ein komplementäres Paar, wie Sibelius bereits 1918 in einem Brief bekannte: »Meine neuen Werke – zum Teil schon skizziert und im Plan fertig […] Die Sechste Sinfonie ist wild und leidenschaftlich im Charakter. Düster mit pastoralen Kontrasten. […] Die Siebte Sinfonie: Freude des Lebens und Vitalität, mit appassionato Passagen.« Obwohl die Partitur der 7. Symphonie den Zusatz »in einem Satz« aufweist, ist noch deutlich die ursprünglich mehrsätzige Anlage des Werks zu erkennen, das mit einer Spielzeit von gut 20 Minuten zu den kürzesten Kompositionen der Gattung zählt: Dem weit ausschwingenden eröffnenden Adagio, das an seinem Ende zusehends beschleunigt wird, folgt ein knapper, als Scherzo gedachter Mittelteil (Vivacissimo). Sowohl thematisch als auch mit seinem vergleichsweise gelassen anmutenden Ausdruckscharakter hebt sich davon das Finale (Allegro molto moderato) ab. Die einzelnen Abschnitte werden dabei verbunden von einem erhabenen, choralartig angelegten Posaunen-Thema, das dreimal wiederkehrt und beim letzten Erklingen die hymnische Schlusscoda einleitet. Äußerlich betrachtet nähert sich die 7. Symphonie also der freien, einsätzigen Form der symphonischen Dichtung an – und bezeichnenderweise sollte Sibelius danach mit »Tapiola« noch einmal einen Beitrag zu genau dieser Gattung liefern, als sein letztes großes Werk bevor er als Komponist verstummte – drei Jahrzehnte vor seinem Tod.
Jean Sibelius gilt als der finnische Nationalkomponist, ein Ruf, den er sich vor allem durch seine Symphonische Dichtung "Finlandia" erwarb. Dieses Werk avancierte in den Zeiten der russischen Unterdrückung zur inoffiziellen finnischen Nationalhymne…
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