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George Gershwin

George Gershwin wurde als Jacob Gershwine 1898 als zweites von vier musikalisch begabten Kindern russischer Einwanderer geboren und wuchs im New Yorker Stadtteil Harlem auf. Dort nahm er ab dem Alter von etwa zehn Jahren Klavierunterricht bei Charles Hambitzer, der sein lebenslanger Mentor werden sollte, und studierte später Komposition, u. a. bei Henry Cowell und Joseph Schillinger. Gershwin verließ die Schule im Alter von 15 Jahren, um als »Song Plugger« für die Tin Pan Alley zu arbeiten. Diese äußerst produktive Gruppe von Musikverlegern gab in rasantem Tempo einen Song nach dem anderen heraus. Während manche Titel schnell wieder verschwanden, wurden andere auf Anhieb zu Hits, wie etwa Gershwins »Swanee« im Jahr 1919, das durch den Sänger Al Jolson berühmt wurde. Zu dieser Zeit schrieb Gershwin bereits Musicals für den Broadway und komponierte gleichzeitig seine ersten großen Werke, darunter »Rhapsody in Blue« und die einaktige Jazzoper »Blue Monday«. Im Frühjahr und Sommer 1928 lebte Gershwin in Paris, um – wie so viele amerikanische Komponist*innen – bei der renommierten Musikpädagogin Nadia Boulanger zu studieren. Diese aber war der Ansicht, dass zu viel Struktur Gershwins natürliche Begabung zerstören könnte. Auch Maurice Ravel lehnte ihn als Schüler ab, mit folgender Begründung: »Warum ein zweitklassiger Ravel werden, wenn Sie bereits ein erstklassiger Gershwin sind?« Als DuBose Heywards erfolgreicher Roman »Porgy« aus dem Jahr 1925 als Theaterstück am Broadway aufgeführt wurde, setzte sich Gershwin umgehend mit dem Autor in Verbindung, um die Möglichkeit einer Adaption als »Folk Opera« zu besprechen. »Porgy« erzählt vom Leben der schwarzen Einwohner*innen einer Fischerbarackensiedlung namens »Catfish Row« in Charleston, South Carolina, um die Jahrhundertwende: über ihr Leben in Armut, ihren Glauben und Aberglauben, die Liebe, Entbehrungen, Rassismus, Drogenabhängigkeit, Gewalt und der Traum von einem besseren Leben. DuBose und seine Frau Dorothy Heyward halfen Gershwin enorm bei seinen Recherchen für die Oper, beherbergten ihn in den Carolinas und führten ihn in die weltliche und geistliche afroamerikanische Musik der Region ein. Nachdem er einige Zeit mit der örtlichen schwarzen Gemeinde verbracht hatte, soll ein Mann zu Gershwin gesagt haben: »Bei Gott, du kannst diese Rhythmen wirklich, Junge. Ich bin über siebzig Jahre alt, und ich habe noch nie einen kleinen Weißen gesehen, der so abhebt und fliegt wie du. Du könntest mein eigener Sohn sein.« Die Musik der gesamten Oper ist ein Meisterstück, und das Werk an sich hat seit seiner Entstehung viele Ansätze, Inszenierungen und auch Herausforderungen im Umgang mit wechselnden Perspektiven auf die Themen, die behandelt werden, erfahren. Gershwin bestand auf eine Besetzung mit afroamerikanischen Sängerinnen und Sängern (zu jener Zeit wurden afroamerikanische Rollen noch häufig mit schwarz geschminkten weißen Sänger*innen besetzt). So zählten zur Besetzung der ursprünglichen Produktion großartige Musiker*innen wie Anne Brown, die erste afroamerikanische Sängerin, die Juilliard besuchte. Sie wurde zu Gershwins Muse und probierte seine Songs für ihn aus, indem sie die verschiedenen Charaktere sang, während er in das Komponieren vertieft war. Sie übernahm schließlich die Rolle der ersten Bess. Es ist erstaunlich, dass »Porgy and Bess« fast zur gleichen Zeit entstand wie Alban Bergs »Lulu«. Der von Gershwin verehrte Berg soll für den amerikanischen Komponisten in Wien eine Party veranstaltet haben. Als Gershwin gebeten wurde, etwas von seiner Musik am Klavier vorzustellen, wurde seine Zurückhaltung von Berg mit den Worten abgetan: »Mein Junge, Musik ist Musik.« Wie Alban Berg starb auch Gershwin lange vor seiner Zeit an einem nicht diagnostizierten Hirntumor im Alter von 38 Jahren – ein großer Schock für die Musikwelt.

 

Barbara Hannigan (übersetzt aus dem Englischen von Dominik Kreuzer)