Entdeckungen der englischen Musik: Elgar und Vaughan Williams
»Die Engländer sind das einzige Kulturvolk ohne eigene Musik (Gassenhauer ausgenommen) «: Es war ein Deutscher, der so schimpfte, nämlich der Literat und Reiseschriftsteller Oskar Adolf Hermann Schmitz, zuerst im Jahr 1904.
Dieses Urteil, das auf älteren Vorurteilen basiert, hat sich festgesetzt, obwohl es schon zu Schmitz’ Zeit durchaus anfechtbar war. Auch die englische Kunstmusik ermöglicht immer noch famose Entdeckungen, gerade weil viele große Werke in unseren Breiten immer noch nicht wirklich angekommen sind. Edward Elgar etwa verdankt seine internationale Bekanntheit vor allem einem einzigen Stück, das Schmitz heute vermutlich als »Gassenhauer« bezeichnen würde: Die Triomelodie des ersten Marsches aus »Pomp and Circumstance« wurde zum patriotischen Lied umgewandelt und fungiert seither mit dem Text »Land of Hope and Glory« als eine der inoffiziellen, aber umso beliebteren Hymnen der britischen Monarchie. Dabei hat Elgar so viel mehr zu bieten — und war nicht nur musikalisch, mit seiner Orientierung an Wagner und Strauss, sondern auch von seinem katholischen Glauben viel mehr Individualist als komponierender Nationalheld und Zulieferer eines britischen Jubelpatriotismus. Und der 15 Jahre jüngere Ralph Vaughan Williams formulierte einmal ein Credo, das sich auch nachfolgende Generationen zu eigen gemacht haben: »Der Komponist darf sich nicht abschotten, er muss mit seinen Mitmenschen leben und seine Musik zu einem Ausdruck des ganzen Lebens der Gemeinschaft werden lassen«.