Fanny Hensel (geb. Mendelssohn) und Louise Farrenc hatten alles, um in die Speerspitze der Musikgeschichte vorzudringen: ein kunstliebendes Elternhaus, frühe musikalische Förderung, ausreichend finanzielle Mittel und nicht zuletzt beneidenswertes Talent. Nur eines fehlte beiden: das richtige Geschlecht. Ebenso geniales Wunderkind wie Felix, beugte sich Fanny lange dem Willen des jüngeren Bruders, der von dem damals gängigen Klischee überzeugt war, dass Frauen höchstens kleine, lyrische Stücke zu komponieren in der Lage seien. Für die Königsdisziplinen wie das Streichquartett oder die Symphonie fehle ihnen hingegen die Kraft. Fanny Hensels einziges, erst im 20. Jahrhundert veröffentlichte Streichquartett ist ein romantisches Meisterwerk, das den Bruder Lügen straft. Zu großem Ansehen in Paris des 19. Jahrhunderts brachte es Louise Farrenc als Pianistin, Komponistin, ja sogar als Dirigentin und Professorin. Nach ihrem Tod geriet sie in Vergessenheit und wurde erst in den 1980er Jahren im Rahmen der Genderforschung wiederentdeckt. Farrencs Streichquintett ist eine Bearbeitung ihres populären Nonetts, das auch außerhalb Frankreichs einen hohen Bekanntheitsgrad erreichte. Zu welchem Anlass Farrenc die reine Streicher- Fassung erstellte und ob sie jemals aufgeführt wurde, bleibt allerdings im Dunkeln. Neben diesen beiden europäischen Frauen stehen auch zwei amerikanische Komponistinnen der Gegenwart im Fokus: Die in Kalifornien geborene Gabriela Lena Frank spürt in ihren Werken den eigenen Wurzeln nach, die sich aus peruanisch-chinesisch-litauisch-jüdischen Einflüssen speisen. In ihrem Werk »Leyendas« vermischt sie Elemente der westlichen klassischen und andinen Volksmusiktraditionen. Jessie Montgomery ist durch den künstlerischen Umgang mit Improvisation, Poesie und sozialem Bewusstsein in ihrer Musik zu einer starken Stimme der amerikanischen Musik im 21. Jahrhundert geworden. Eines ihrer neusten Werke erlebt in diesem Programm seine Erstaufführung.